In sieben Schritten zur obligatorischen Unfallversicherung

Sep 7, 2020.

Exakt 120 juristische Artikel, streng geordnet unter elf Titeln mit insgesamt 23 Kapiteln: Das Schweizer Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG) ist wahrlich keine leichte Kost. Welche Pflichten bestehen für Unternehmen und Mitarbeitende? Und welche Lücken sollten Sie besser schliessen? Bewahren Sie sich und Ihr Team vor wirtschaftlichem Schaden und erstellen Sie eine klare Strategie. Unsere sieben Schritte leiten Sie durch den Paragraphendschungel.

1. Informieren und klären: Welche Mitarbeiter sind obligatorisch unfallversichert?

Jeder Arbeitnehmende in der Schweiz, der nach den Bestimmungen der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht, unterliegt der obligatorischen Unfallversicherung. Als unselbständig gilt grundsätzlich jede Tätigkeit, die in einem Angestelltenverhältnis gegen Lohn ausgeübt wird.

 

Die Eidgenössische Ausgleichskasse sagt dazu genau: «Als sozialversicherungsrechtlich unselbständigerwerbend gilt, wer in untergeordneter Stellung ( … ) Arbeit leistet, ohne ein wirtschaftliches Risiko zu tragen.»

 

Ausserdem sind folgende Personengruppen obligatorisch unfallversichert:

  • Heimarbeitende
  • Lehrlinge (auch Schnupperlehrlinge)
  • Praktikantinnen und Praktikanten
  • Volontärinnen und Volontäre
  • Mitarbeitende in Lehr- und Invalidenwerkstätten
  • Alle, die Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung haben

 

Auch in Gesamtarbeitsverträgen wie sie etwa im Gastgewerbe oder in der Baubranche üblich sind, ist die obligatorische Unfallversicherung für alle Mitarbeitenden festgelegt.

 

Der Versicherungsschutz beginnt stets am ersten Arbeitstag und umfasst ausser Unfällen auch Berufskrankheiten.

 

Generali Tipp: Eine AHV-Versichertennummer ist ein sicheres Indiz für die Pflicht des Arbeitsgebers, Mitarbeitende obligatorisch gegen Berufsunfälle zu versichern.

 

 

2. Verträge sichten: Welche Rolle spielt die Arbeitszeit bei der obligatorischen Unfallversicherung?

Egal, wie lang der Arbeitstag ist: Alle Arbeitnehmenden geniessen im Falle eines Unfalls an ihrer Arbeitsstätte oder auf dem Weg dorthin obligatorischen Versicherungsschutz. Die Beiträge dafür übernimmt der Arbeitgeber.

 

Ab acht Stunden wöchentlicher Arbeitszeit wird zusätzlich ein nichtberuflicher Unfallschutz obligatorisch: Dann sind Versicherte auch zu Hause und bei Sport und Freizeit gesetzlich vor Unfällen geschützt. Allerdings tragen die Arbeitnehmenden die Versicherungskosten dafür grundsätzlich selbst.

 

Generali Tipp: Arbeitgeber, die auch Prämien für den nichtberuflichen Unfallschutz übernehmen, fördern die Leistungsbereitschaft und binden wertvolle Mitarbeitende an ihr Unternehmen.

 

 

3. Ausnahmen kennen: Was ist mit Familienmitgliedern, Dienstleistern oder Verwaltungsräten?

Nicht alle, die Leistungen gegen Entgelt erbringen, sind in jedem Fall obligatorisch unfallversichert. Hier die wichtigsten Ausnahmen:

  • Selbständigerwerbende (zum Beispiel Unternehmer oder Freelancer, die gegen Rechnung Dienstleistungen für die Firma erbringen)
  • Mitarbeitende Familienmitglieder, die keinen Barlohn erhalten und dadurch auch nicht bei der AHV registriert sind (ausserdem in direkter Linie mit dem Leiter eines Landwirtschaftsbetriebs Verwandte sowie Schwiegerkinder, die dessen Nachfolge antreten wollen)
  • Bundesbedienstete, für die die Militärversicherung zuständig ist
  • Verwaltungsräte, die nicht selbst im Unternehmen beschäftigt sind
  • Feuerwehrleute der Milizen
  • Personen, die – ohne besonderen Dienstvertrag – im öffentlichen Interesse tätig sind
  • Mitglieder von Parlamenten, Behörden oder Kommissionen

 

Diese Ausnahmeregeln sind nicht personenbezogen. Es kommt auf die jeweilige Tätigkeit an: Ein Feuerwehrmann, eine Nationalrätin oder auch der Schwiegersohn eines Landwirts können daher durchaus obligatorisch unfallversichert sein, falls sie eine weitere Tätigkeit ausüben, die zweifelsfrei unter das Unfallversicherungsgesetz (UVG) fällt.

 

 

4. Unterschiede beachten: Einzelunternehmen, GmbH oder AG Wie wirkt sich die Firmierung auf die obligatorische Unfallversicherung aus?

Geschäftsführer von GmbHs und Vorstände von AGs oder anderen Kollektivgesellschaften sind nach dem UVG ihrem Personal gleichgestellt. Ebenso wie jeder andere Arbeitnehmende werden sie daher stets obligatorisch gegen Unfälle versichert.

 

Anders sieht es bei Inhabern von Einzelunternehmen und deren mitarbeitenden Familienmitgliedern aus. Diese können sich jedoch jederzeit freiwillig versichern.

 

Für alle Unternehmensformen und Funktionen gilt gleichermassen eine Wahlfreiheit bei Zusatzversicherungen zur Unfallversicherung.

 

Überblick:

Inhaber obligatorisch versichert nein, freiwillig versicherbar Ja, Personal gleichgestellt
Mitarbeitende Familienmitglieder nein, freiwillig versicherbar Ja, Personal gleichgestellt
Arbeitnehmer/-innen obligatorisch versichert obligatorisch versichert
Zusatzversicherung zur Unfallversicherung möglich Ja Ja

5. Betrieb richtig zuordnen: Wo muss ich meine Mitarbeiter obligatorisch unfallversichern?

Bestimmte Unternehmen versichern ihre Mitarbeiter bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt, der Suva. Das betrifft zum Beispiel folgende Branchen:

  • Hoch- und Tiefbau
  • Maschinenbau
  • Chemieunternehmen
  • Waren- und Personentransport
  • Schreinereien, Schlossereien
  • Lebensmittelherstellung
  • Elektrizität-, Gas- und Wasserversorger
  • Personalverleih
  • Architekturbüros
  • Engineeringfirmen

 

Eine ausführliche Liste der Suva-pflichtigen Branchen finden Sie in Artikel 66 des Unfallversicherungsgesetzes (UVG).

 

Falls Sie nicht sicher sind, ob Ihr Unternehmen der Suva-Pflicht unterliegt, wenden Sie sich zur Abklärung an eine der örtlichen Suva-Agenturen.

 

Wird Ihr Unternehmen nicht von der Suva-Pflicht erfasst, können Sie Anträge zur obligatorischen Unfallversicherung bei privaten Versicherungen wie zum Beispiel bei Generali stellen. Dort steht ein kompetentes Expertenteam bereit, das Sie jederzeit gern bei allen Fragen rund um die obligatorische Unfallversicherung unterstützt.

6. Gesetzliche Grundlagen beachten: Welche Leistungen deckt die obligatorische Unfallversicherung ab?

Das Unfallversicherungsgesetz sieht je nach Schadenfall folgende Leistungen vor:

  • Heilbehandlungen im In- und Ausland
  • Reise-, Transport- und Rettungskosten
  • Taggeld
  • Hauspflege
  • Hilfsmittel
  • Sachschäden 
  • Invalidenrente
  • Integritätsentschädigung
  • Hilflosenentschädigung
  • Bestattungskosten
  • Hinterlassenenrente

 

Jeder Einzelfall bedarf einer sorgfältigen Prüfung und medizinischen Beurteilung. Es ist daher wichtig, Unfälle oder beruflich bedingte Erkrankungen dem Versicherungsträger so bald wie möglich zu melden und ein entsprechendes ärztliches Attest vorzulegen.

 

Dauer und Höhe der Leistungen können – je nach Schadenfall – unterschiedlich ausfallen.

 

 

7. LEISTUNGEN PRÜFEN: WELCHE LÜCKEN KÖNNEN TROTZ UVG-PFLICHT ENTSTEHEN?

In vielen Fällen decken die gesetzlich verbrieften Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung nicht alle tatsächlichen Schäden ab. Geeignete Zusatzversicherungen schliessen diese Lücken (siehe Tabelle).

 

Folgende Optionen können sinnvoll sein. Hier eine Auswahl:

  • Zwar zählen Heilungskosten im Inland wie im Ausland zu den Basics des UVG – nicht jedoch die freie Arzt- und Spitalwahl. Wenn Ihre Mitarbeitenden eine optimale Heilbehandlung (zum Beispiel durch die Chefärztin oder den Chefarzt) und eine Pflege im Privatzimmer bevorzugen, kann dafür eine Zusatzversicherung abgeschlossen werden – kurz UVG-Z.
  • Das üblicherweise ab dem dritten Tag nach Arbeitsunfähigkeit ausgereichte Unfalltaggeld beträgt maximal 80% des Arbeitslohns. (Siehe AHV/IV). Eine optimale Deckung des tatsächlichen Verdienstausfalls kann durch eine UVG-Z erreicht werden. Zusätzlich lässt sich ein Spitaltaggeld vereinbaren.
  • Die obligatorische Unfallversicherung beginnt am ersten Arbeitstag des Arbeitnehmenden und endet in der Regel am 31. Tag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. (Siehe Admin Medienmitteilung). Durch einen individuellen Abredevertrag können Sie diese Frist auf bis zu 180 Tage nach Austritt aus dem Unternehmen verlängern. In dieser Zeit sind Nichtbetriebsunfälle durch die private Zusatzversicherung abgesichert.
  • Geht es nach dem Gesetz, beträgt der maximal versicherbare Jahreslohn CHF 148‘200. Durch eine Zusatzversicherung wird die Differenz zu einem tatsächlichen Salär von bis zu CHF 300‘000 abgedeckt. Dadurch können im Einzelfall erhebliche Einbussen bei einer Arbeitsunfähigkeit vermieden werden.
  • Tritt aufgrund schwerwiegender gesundheitlicher Folgen die Invalidität ein, erhält der Arbeitnehmende – je nach Grad der Arbeitsunfähigkeit – eine gesetzliche Rente. Mit einer Zusatzversicherung lässt sich diese individuell aufstocken oder alternativ dazu in ein Invaliditätskapital umwandeln. Auch bei Hinterlassenenrenten kann optional eine Kapitallösung gewählt werden.
  • Zu guter Letzt bieten private Versicherungen wie Generali auch einen Schutz für den Fall, dass die gesetzlichen Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung gekürzt oder gar verweigert werden. Zum Beispiel bei einem grob fahrlässig verursachten Unfall oder einem besonderen Wagnis. Die dadurch eintretenden Differenzen werden ebenfalls durch eine Zusatzversicherung abgedeckt.

 

UVG Übersicht – Lohnfortzahlung bei Unfall

 

 

Anders als in vielen anderen Ländern ist die Unfallversicherung in der Schweiz ein eigenständiger Teil des Sozialversicherungssystems. Gesetzliche Grundlage dafür ist das Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG) vom 20. März 1981, das im Jahr 2017 teilweise reformiert wurde. Das Gesetz wird durch die Verordnung über die Unfallverhütung am Arbeitsplatz (UVV) ergänzt.

 

Wegen der gesetzlichen Versicherungspflicht ist vielfach auch von einer obligatorischen Unfallversicherung die Rede. Das umfassende Gesetzespaket regelt die Versicherung von Arbeitnehmenden bei Eintritt eines Berufsunfalls (BU), Nichtberufsunfalls (NBU) oder einer Berufskrankheit bis ins Detail:

 

Wichtigster Unterschied zu den Leistungen der Krankenkassen: Nach den Bestimmungen des UVG können nicht nur Therapiekosten, sondern auch Rentenansprüche – etwa aufgrund beruflich bedingter Arbeitsunfähigkeit oder Invalidität – geltend gemacht werden.

 

Wer gegen die mit der obligatorischen Unfallversicherung verbundenen Auskunfts- und Meldepflichten verstösst, muss mit Haftungsansprüchen, Bussen oder – im Extremfall – sogar mit einer Gefängnisstrafe rechnen. Die Einhaltung der Regelungen wird von den kantonalen Ausgleichskassen überwacht (z. B. AK Zug).

 

 

«Wertschätzung und soziale Sicherheit von Arbeitnehmenden sind ein starker Motor für Motivation und Loyalität. Arbeitgeber, die bei der obligatorischen Unfallversicherung und der Wahl geeigneter Zusatzleistungen punkten, leisten damit einen entscheidenden Beitrag für eine hochwertige Unternehmenskultur und verbessern zugleich das Employer Branding. Die gründliche Analyse der geeigneten Versicherungslösungen ist ein erster Schritt dorthin. »

Andrea Juric, Head of Underwriting Health, Generali Schweiz

Die Expertin

Andrea Juric ist Team Leader Underwriting bei Generali Schweiz. Mit ihrer langjährigen Erfahrung trägt sie wesentlich zum Erfolg passgenauer Versicherungsstrategien von Unternehmen jeder Grössenordnung und Branchenzugehörigkeit bei. Sowohl unsere Agenten als auch unsere Broker vertrauen auf die Sachkenntnis von Andrea Juric, wenn es um optimale Businesslösungen im Versicherungssegment geht. So können sie unsere Geschäftskunden optimal beraten.

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