Cybermobbing kann jeden treffen

Feb 1, 2021.

Im Rahmen unseres Themenfokus «Sicher im Internet» haben wir mit Joachim Zahn gesprochen. Er ist Projektleiter bei zischtig.ch. Ein Verein, der jedes Jahr über 1‘000 Schulklassen und 250 Elterngruppen in Sachen Medienkompetenz schult und damit die Grundlage gegen Cybermobbing legt. Er gewährt uns einen wertvollen Blick in sein Schaffen.

Herr Zahn, was ist Zischtig.ch und was macht der Verein?

Kinder und Jugendliche müssen den Umgang mit digitalen und sozialen Medien und Kommunikationsformen erst lernen. Dabei machen sie logischerweise Fehler. Das kann heutzutage schnell Folgen haben. Ein Klick ist manchmal schon ausreichend.  Unsere Mitarbeitenden sorgen mit Übungen und Gesprächen dafür, dass weniger Fehler passieren oder die Schäden minimiert werden. Wir befassen uns auch mit Chats, Social Media, Gaming, Streaming und den damit verbundenen Problemen. Wir beraten Schulen, Eltern und Fachpersonal.

 

 

Welche Cybermobbing-Fälle gibt es häufig in Ihrer Beratung?

Cybermobbing heisst, dass Stärkere oder Gruppen anhaltend gegen Schwächere vorgehen. Schwächere werden beispielsweise von Chatgruppen ausgeschlossen. Oft werden Unwahrheiten über sie verbreitet. Manchmal werden dazu Bilder manipuliert. Selten kommt es sogar vor, dass gefälschte Profile erstellt werden. Leider gibt es in den Chats vielfältige Formen zielgerichteter Gewalt: Hasskommentare, massives Bullying oder Pranks, also Practical Jokes, die keine mehr sind. Auch die unerwünschte Übermittlung unangemessener Inhalte ist zielgerichtete Gewalt.

 

 

Wie hat sich das Cybermobbing über die Jahre entwickelt? 

Kinder werden immer früher mit Handys und Tablets ausgestattet. Die grösste Veränderung besteht folglich darin, dass Täter und Opfer immer jünger werden. Ausserdem müssen wir feststellen, dass Cybermobbing fast immer auch ein Teil des Offline-Mobbings ist. Und während früher noch mehr über Social Media lief, geschieht Cybermobbing heute mehrheitlich auf WhatsApp.

 

 

Wer wird typischerweise zum Opfer? Gibt es ein Muster?

Die wichtigste Nachricht ist: Es kann jeden und jede treffen. Eltern sollten immer davon ausgehen, dass ihr Kind sowohl Opfer als auch Täter sein kann. Das typische Opfer gibt es nicht. Bestenfalls kann gesagt werden, dass Kinder, die emotional stark reagieren, in gewissen Situationen schneller provoziert werden können.

 

 

Woran können Eltern erkennen, dass ihr Kind Opfer von Cybermobbing sein könnte? Gibt es Alarmsignale?

Im Gespräch mit betroffenen Familien ist oft zu hören, dass Kinder versuchen, sich nichts anmerken zu lassen. Oft ist das Mobbing mit Scham und Angst besetzt. Daher müssen Eltern auf feinste Signale achten: weniger Verabredungen, weniger Appetit, dünnhäutiger, zwischendurch ein aggressiver Schub, vielleicht ein bisschen introvertierter.

 

Wichtig: Wenn man das Kind darauf ansprechen möchte, sind sehr viel Respekt und eine gewisse Ruhe nötig. Kinder haben oft Angst vor Eltern, die sich aufregen, und möchten häufig nicht, dass sie gleich zur Täterfamilie laufen. Es kann gut sein, dass man für so ein Gespräch mehrere Anläufe braucht. Man darf das Kind nicht zum «Eingestehen» nötigen.

 

 

Welche Tipps geben Sie Eltern, um ihre Kinder vor Cybermobbing zu schützen?

Leider liegt der Schutz oft ausserhalb des Einflussbereichs der Eltern. Das Engagement gegen Mobbing und Cybermobbing ist daher ein allgemeines: Man kann sich für soziale Werte einsetzen und diese vorleben. Man kann Stellung nehmen, wenn sich jemand danebenbenimmt. Und man kann sich für diejenigen einsetzen, die von solcher Gewalt betroffen sind. Das sehen auch die Kinder.

 

Das Wichtigste ist aber, die Kinder dazu zu ermutigen, sich Hilfe zu holen und sich jemandem anzuvertrauen. Kontraproduktiv kann es sein, wenn das Kind fürchten muss, dass die Eltern ihm einfach das Handy oder Tablet wegnehmen, wenn es berichtet, dass es von Cybermobbing – ob nun als Opfer oder Täter – betroffen ist.

 

 

Was kann man tun, wenn es dennoch passiert?

Cybermobbing ist für Kinder und Eltern extrem stressig. Man sollte unbedingt Hilfe holen. Wenn es vor Ort ein Schulsozialarbeiter oder ein Vertrauenslehrer gibt, sollte man diese einschalten und mit ihnen gemeinsam die Situation und die Möglichkeiten erörtern. Dieses Fachpersonal untersteht der Schweigepflicht und hat unterschiedliche Möglichkeiten, auf das Geschehen einzuwirken.

 

Fehlen diese Möglichkeiten, sollte man erwägen, bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Denn: Menschen, die sich im Rahmen der vorgesehenen Möglichkeiten zur Wehr setzten, sind schlechte Opfer.

«Das Wichtigste ist, die Kinder zu ermutigen, sich Hilfe zu holen und sich jemandem anzuvertrauen.»

 

Joachim Zahn, Projektleitung, Verein Zischtig.ch

Über Zischtig.ch

Der Verein zischtig.ch setzt sich dafür ein, dass Kinder und Jugendliche beste Medienbildung und Prävention erhalten. Ziel ist, Kinder und Jugendliche auf ansprechende, verständliche, berührende und wirksame Weise vor Onlinesucht, Cybermobbing und anderen Gefahren zu schützen. Im Vordergrund steht das Erlernen einer sicheren Mediennutzung – vor allem von Chats, Social Media, Smartphones und Tablets.

 

Website: Zischtig.ch

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